Die Physiker

Datum: 11. Januar 2020
Uhrzeit: 0:00 - 0:00
Ort: Kurtheater, Von-der-Tann-Straße 1, 97688 Bad Kissingen
2020

Friedrich Dürrenmatts Reaktion auf den bislang einzigen Einsatz von Atomwaffen in einem Krieg

Tickets: 37 / 35 / 33 / 31 / 29 €

2434 Jahre nach Aischylos‘ zum Nachdenken anregender Tragödie über das Schicksal der persischen Kriegsverlierer wurde 1962 Friedrich Dürrenmatts Reaktion auf den bislang zum Glück einzigen Einsatz von Atomwaffen in einem Krieg am Züricher Schauspielhaus uraufgeführt und machte den Berufsstand der Physiker zu beinahe tragischen Bühnenhelden. Das von Dürrenmatt trotz allem „Komödie“ genannte zweiaktige Drama wurde auf Anhieb in der Spielzeit 1962/63 zum meistgespielten Stück auf deutschen Bühnen. Die 1964 veröffentlichte Filmfassung von Fritz Umgelter mit Therese Giehse als Irrenärztin machte das Stück auch einem weiteren Publikum bekannt, da diese Fassung viele Male im Fernsehen ausgestrahlt wurde.

Anhand der historischen Physiker Sir Isaac Newton aus dem 18., Albert Einstein aus dem 20. Jahrhundert und Johann Wilhelm Möbius, der mit der von ihm gefundenen „Weltformel“ angeblich alle zukünftigen Entdeckungen beherrschen kann, stellt der Autor die naturwissenschaftliche Forschung seit Beginn der Neuzeit unter Generalverdacht. Und er stellt lapidar fest, dass die einmal gefundenen Erkenntnisse nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Im Stück ist der geniale Möbius, der die Menschheit vor den Auswirkungen seiner Forschungen bewahren will und sich deshalb als Irrer ausgibt, dem der König Salomo (der sich von Gott Weisheit gewünscht hatte, als der ihn vor die Wahl stellte) erscheint, auch in seinem Rückzugsort in der Schweizer Irrenanstalt von den Kontrahenten des Kalten Krieges aufgespürt worden: Der Mitinsasse, der sich für angeblich für Newton hält, ist ein Agent der USA, der sich für Einstein hält, will die Weltformel für die Russen bekommen. Das Stück machte die unfassbare Bedrohung durch das atomare Bedrohung im Kalten Krieg greifbar und zeigte, wie sich ganz normale Wissenschaftler in eine schuldhafte Verstrickung manövrierten und dadurch mehr Menschenleben auslöschen konnten als die großen Heerführer seit der Antike. „Dürrenmatt schrieb das von ihm selbst als »Komödie« untertitelte Stück im Jahr 1961, als die Nukleartechnik noch jung war und der Kalte Krieg auf einen gefährlichen Höhepunkt zusteuerte. Zum ersten Mal entstand zu dieser Zeit ein Bewusstsein dafür, dass von nun an das Ende der Welt in der Hand des Menschen selbst liegen könnte, sei es als mögliche Folge einer aktiven Handlung oder als Folge eines Kontrollverlusts über die eigene Technik. So zeichnet Dürrenmatts Schauspiel den Menschen als Wesen voller Mängel, konfrontiert mit einer sich fortwährend technisierenden Welt, die längst zu komplex geworden ist, als dass sie durch uns noch begreifbar wäre. Ein halbes Jahrhundert später ist die Technik noch weiter fortgeschritten, die Welt hat sich rasend schnell verändert – doch die düstere Vision Friedrich Dürrenmatts hat nichts von ihrer Aktualität verloren.“ (Tournee-Theater Thespiskarren)

Dürrenmatt wählt für seine Warnung vor der Zerstörung der Menschheit durch sich selbst die Form einer Kriminal- und einer Irrenkomödie mit vielen komischen und spannenden Elementen aus beiden Genres und führt so sehr geschickt seine Zuschauer aufs Glatteis. Im Schweizer Sanatorium ‚Les Cerisiers‘ (Die Anspielung auf Tschechows Endzeitstück ‚Kirschgarten‘ war sicherlich beabsichtigt!) ermorden drei geisteskranke Insassen, alle Physiker, ihre Betreuerinnen und kommen bleiben zur Enttäuschung des ermittelnden Kommissars Voss straffrei. Erst im zweiten Teil des raffiniert gebauten Stücks wird immer deutlicher, dass es sich bei ihnen weder um harmlose Irre, noch bei der Leiterin der Anstalt um eine wohlmeinende Psychiaterin handelt.

Mit diesem Klassiker der Moderne kommen endlich auch einmal wieder zwei Schauspieler zum Theaterring, die früher in vielen Inszenierungen hier gefeiert wurden: Peter Bause, Urgestein des Berliner Ensembles und seit 1993 für EURO-Studio Landgraf auf Tournee, und seine Frau Hellena Büttner spielen die Hauptrollen in der Inszenierung von Herbert Olschok bei diesem Gastspiel des Tournee-Theaters Thespiskarren.