Der Schimmelreiter

Datum: 15. März 2020
Uhrzeit: 0:00 - 0:00
Ort: Kurtheater, Von-der-Tann-Straße 1, 97688 Bad Kissingen
2020

Nach der Novelle von Theodor Strom unter der Regie von Christian Schidlowsky , Theater Schloss Maßbach

Tickets: 26 / 24 / 22 / 20 / 18 €

Schon seit vielen Jahren gehört Christian Schidlowsky zu den erfolgreichen Gastregisseuren am Theater Maßbach. Ganz besonders eindrucksvoll waren seine großen Gesellschaftsbilder etwa in seiner Bühnenadaption von Horvaths ‚Jugend ohne Gott‘ oder ‚Jagdszenen aus Niederbayern‘. Sehr häufig geht es dabei um die Stellung von Außenseitern in einer festgefügten Gesellschaft. So nimmt es nicht wunder, dass ihn auch Theodor Storms Novelle ‚Der Schimmelreiter‘ und vor allem deren einsamer Held Hauke Haien zu einer Bearbeitung für die Bühne reizte. „Für solch latente, aber noch immer brisante Themen in überholt scheinenden Geschichten und für das Grauen in scheinbar gut funktionierenden Gemeinschaften hat Regisseur Christian Schidlowsky einen Riecher“, schrieb die Saale Zeitung zu seiner packenden Inszenierung von Martin Sperrs ‚Jagdszenen aus Niederbayern‘.

Auch Theodor Storms 1888 erstmals veröffentlichte Novelle ‚Der Schimmelreiter‘ spielt in einer solchen scheinbar gut funktionierenden Gemeinschaft, nicht im südlich-katholischen Niederbayern, sondern ganz oben in Nordfriesland. Und auch sie lebt in selbstsicherer Selbstzufriedenheit, auch in ihr findet ein Außenseiter nur schwer einen Platz. Der überaus begabte Hauke Haien wächst in einer dörflichen Gemeinschaft auf, die von Aberglauben, Missgunst und hochnäsiger Dummheit geprägt ist. Den kleinen Hauke interessieren nicht das Hergebrachte oder die Hierarchien der Dorfgemeinschaft. Mit scharfer Beobachtungsgabe und seinem klaren Verstand beobachtet, misst, erforscht er das Verhalten des Meeres und macht sich Gedanken über die zweifelhafte Haltbarkeit der Deiche. Um sein Interessengebiet zum Beruf zu machen, verdingt er sich mit 18 als Kleinknecht beim Deichgrafen Tede Volkerts, der froh ist, in ihm einen fähigen Mitarbeiter zu erkennen und ihm immer mehr seiner Aufgaben anvertraut. Als dessen Tochter Elke sich in ihn verliebt, verlobt sich die beiden heimlich. Die Beziehung zu ihr macht den eifersüchtigen Großknecht Ole Peters zu seinem Todfeind. Hauke erbt mit Elkes Zutun vom Deichgrafen dessen Amt, heiratet Elke und setzt seine Pläne zur Verbesserung des Deiches um, was ihn wegen des entstehenden Arbeitsaufwands und der Kosten im Dorf sehr unbeliebt macht. Peters weiß das zu schüren, das misstrauische und abergläubische Dorf drängt Hauke immer mehr in die Einsamkeit und bricht völlig mit ihm, als er sich weigert, dem alten Aberglauben gemäß, ein Tier als Glücksbringer an der Schnittstelle zwischen altem und neuem Deich lebendig zu begraben. Als seine und Elkes Tochter geistig behindert geboren wird, führt man das auf Haukes fehlende Gottesfurcht zurück. Den Bau eines neuen, wegen einer Schwachstelle am alten Deich dringend nötigen neuen Deiches verweigert man ihm. Beim nächsten großen Herbststurm wird das Dorf überflutet, weil Ole Peters den neuen Deich durchstechen lässt. Auf seinem Schimmel stürzt sich Hauke in die Fluten, als er zusehen muss, wie seine Frau und sein Kind vom Meer verschlungen werden.

Storm schrieb die Novelle zu einer Zeit, in der Technik und Naturwissenschaften längst herrschten, in der aber noch immer der Aberglaube an das Unheimliche, Bedrohliche in der Natur tief in der ländlichen Bevölkerung steckte. Hauke ist als modern denkender Mensch den seit Jahrhunderten tradierten irrationalen Überzeugungen der Dörfler als Opfer ausgeliefert, doch hat er durchaus auch das Zeug zu einem tragischen Helden, da er sich auch immer mehr in seine eigenen Ansichten verbohrt, seine Mitbürger verachtet, und damit durchaus auch schuldig wird im klassischen Sinn.
Christian Schidlowsky hat dieses Potenzial in Storms Helden entdeckt und kann es mit dem Ensemble der Unterfränkischen Landesbühne Theater Schloss Maßbach wieder zu einem seiner dichten und komplexen Tableaus für das Theater gestalten.